
Die Eltern fangen an zu erzählen. Sie hatten noch vor ein paar Stunden mit ihrer Tochter telefoniert, nun waren sie mit ihr verabredet gewesen. Doch auf das Klingeln hatte sie nicht reagiert und als sie die Türe aufgesperrten, hatten sie sie leblos auf dem Boden vorgefunden. Beim Absetzen des Notrufes wurden sie von dem Disponenten zu einer Herz-Lungen-Wiederbelebung angeleitet und hatten diese bis zum Eintreffen der Einsatzkräfte durchgeführt. Diese hatten anschließlich versucht, ihre Tocher zu reanmieren. Sie hatte zwar Vorerkrankungen, aber mit diesem plötzlichen Tod war absolut nicht zu rechnen gewesen.
Die Eltern möchten ihre Tochter noch zudecken, die Mutter holt aus dem Schlafzimmer Decke und Kissen. Gemeinsam richten sie ihrer Tocher ganz sanfte her. Wir zünden ein Teelicht an. Die Mutter kocht Tee und gemeinsam mit ihrem Mann erzählen sie uns aus dem Leben ihrer Tochter. Sehr bald kommen sie auf die Schwester der Verstorbenen und machen sich Gedanken, wie sie ihrer Tochter von dem Tod berichten sollen, da diese gerade auf der Arbeit ist. Sie wägen ab, sollen sie es ihr am Telefon sagen, nein, das geht nicht, also doch nur eine Nachricht, dass sie anrufen soll. Oder nein, besser, dass sie her kommen soll. Aber was, wenn sie anruft und nachfragt oder sich solch große Sorgen allein aufgrund der Nachricht macht und dann in dem Schneechaos Auto fährt. Letzlich versuchen sie es also doch telefonisch, erreichen sie aber nicht. Ich biete an, wenn wir sie erreichen, sie an ihrer Arbeitsstelle abzuholen, sodass sie nicht aufgewühlt Auto fahren muss. Diesen Vorschlag nehmen die Eltern dankbar an.
Gemeinsam versuchen wir den Hausarzt der Verstorbenen zu erreichen. Notärzte/Notärztinnen dürfen nur eine so genannte vorläufige Todesbescheinigung ausfüllen. Daher muss durch einen zweiten Arzt/eine zweite Ärztin noch die endgültige Todesbescheinigung ausgfeüllt werde. Überlicherweise geschieht dies durch den Hausarzt/die Hausärztin. Aufgrund der Mittagszeit erreichen wir aber auch hier zunächst niemanden und hinterlassen letzlich eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter.
Während wir weiter den Tee trinken ruft die Tochter zurück. Die Eltern berichten ihr, was passiert ist und dass "jemand von dem Kriseninterventionteam" sie abholen würde. Ich mache mich also durch den Schnee auf den Weg, während die Hospitantin bei den Eltern bleibt.
An der Arbeitsstelle werde ich schon erwartet. Ich stelle mich kurz bei der Tochter vor. Auch diese wirkt recht gefasst, aber auch etwas aufgefühlt auf mich. Die Tochter verabschiedet sich von ihren Kolleginnen und Kollegen und steigt zu mir ins Auto. Dort prasseln dann etliche Fragen auf mich ein. Wo ihre Schwester gerade sei. Wie es ihren Eltern gehe. Was denn eigentlich passiert sei. Und wie eigentlich so ein verstorbener Mensch ausschaue, sie habe noch nie eine Leiche gesehen. Ich kann alle ihre Fragen sehr gut nachvollziehen und merke, wie sie mit jeder meiner Antworten ruhiger wird. Ich schilder ihr, was sie erwarten wird, wenn wir zu dem Haus ihrer Schwster kommen und versichere ihr, dass sie nicht alleine sein wird. Sie atmet tief durch und signalisiert mir, dass sie so weit ist um loszufahren. Wir machen uns auf den Weg.